Die Entwestlichung der Welt

Dokumentation

24. Studientag des Forums Friedensethik (12.10.2024)

(Auf dem Podium (von links nach rechts): Andreas Zumach, Manfred Jeub, Felix Klinger, Hans von Sponeck. Foto: Johannes Maier)

Vortrag von Hans von Sponeck

Vortrag von Andreas Zumach

Vorträge und Diskussionen des Studientags, die im im Saal stattfanden in Videoaufzeichnungen

Großes Interesse fand das Angebot des Forum Friedensethik in der Evangelischen Kirche in Baden (FFE) am Samstag, 12. Oktober im Albert-Schweitzer-Saal der Christuskirchengemeinde in Karlsruhe. Mit 100 in Präsenz und 30 virtuell Teilnehmenden sahen sich die Organisatoren des FFE-Studientages 2024 mit dem Thema ‚Die “Entwestlichung” der Welt – und der Wiederaufbau der zerstörten europäischen Friedensordnung‘ darin bestätigt, ein dramatisch aktuelles Thema aufgegriffen zu haben. Tatsächlich bringen westliche Medien und Regierungen den gegenwärtigen globalen Grundkonflikt, auf die Formel: Demokratische gegen autokratische Systeme. Die nicht-westliche Welt sieht das weitgehend anders. Sie nimmt primär einen Konflikt wahr, bei dem es um die Ablösung der gewohnten westlichen Vorherrschaft geht. Sichtbar wird das in den gegenwärtigen Spannungen und militärischen Auseinandersetzungen z.B. in der Ukraine, im Nahen Osten u.a.. Es ging bei diesem Studientag darum, die Voraussetzungen, Gefährdungen und Chancen, die diesem politischen Prozess innewohnen, besser zu verstehen. Zwei Referenten mit großer geopolitischer Expertise konnten viel zur Klärung der Sachverhalte beitragen.

Hans von Sponeck, ehemaliger Beigeordneter UNO-Generalsekretär, wies in seinem Vortrag darauf hin, dass die Welt des Westens im Zuge der Globalisierungsprozesse die Realität der sich entwickelnden Neuverteilung der Macht nicht akzeptieren will. Die Forderung der nicht-westlichen Welt nach einer  Demokratisierung der internationalen Beziehungen lehne sie ab. Das Gesicht der Welt von Heute, so von Sponeck, sei geprägt von Polarisierung, Spaltung und Konfrontation. Man erlebe, dass Großmächte wie Russland und die USA nicht in der Lage seien, durch Akzeptanz internationalen Rechts, geopolitische Kompromisse einzugehen, um der Menschheit ein Leben in Frieden und Sicherheit  zu ermöglichen. Ein Schwarz-Weiß-Bild über die Gründe dafür gebe es aber nicht, lediglich den Unterschied zwischen finanzieller, wirtschaftlicher und militärischer Macht. Diese liege noch immer weitgehend in westlichen Händen. Für Sponeck ist die im September 2024 bei der UNO in New York von den Regierungen der Weltgemeinschaft organisierte Debatte um die Zukunft des Globus ein erster Schritt auf dem langen, holprigen Weg für die Neuordnung unserer Welt. Aus seiner Sicht muss trotz der gegenwärtigen Mega-Krisen diese multipolare Initiative weitergeführt werden. Ziel kann nur sein, einen Sozialpakt für das gemeinsame Zusammenleben der Völker zu entwickeln.

 Mit seinem Thema „‚Westliche Werte‘, doppelte Standards und die neue Weltordnung“ trug der langjährige Korrespondent bei der UNO in Genf, Andreas Zumach, Gedanken bei, die für die Glaubwürdigkeit westlicher Politik künftig elementar sein werden. Es seien zwar schon vor dem westfälischen Frieden von 1648 völkerrechtlich Versuche unternommen wurden, den Krieg zu verbieten. Aber umgesetzt wurde das erst 1945 mit der UN-Charta. Zumach konnte an vielen Beispielen zeigen, dass schon seit Errichtung der UNO der Westen, sprich die USA, Britannien und Frankreich vielfach die Inhalte und selbst die Orte der UN-Institutionen westlichem Einfluss unterworfen haben. Beide Referenten und die Beiträge in den Kleingruppen waren sich darüber einig, dass es künftig mehr und mehr auf die Einflussnahmen aus der Zivilgesellschaft ankommen werde, um z.B. zu erreichen, dass auch Deutschland dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beitreten wird. Allein dieser Vertrag, wie auch die UN-Verbote von Streubomben oder Antipersonenminen konnten nur durchgesetzt werden, weil Hunderte zivilgesellschaftliche Gruppen Überzeugungsarbeit mit verantwortlichen Politikern der einzelnen Länder geleistet hatten. Als Perspektive für die Zukunft der Weltordnung sahen beide UNO-Fachleute eine multipolare Weltordnung als unbedingt erstrebenswert an. Diese müsse grundlegende Reformen der UNO-Verfassung umsetzen. Darin klang der Gedanke von der gemeinsamen Sicherheit an, den schon Willy Brandt und Olof Palme in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts eingebracht hatten. Zumach sah es auch als notwendig an, in Schulen und Hochschulen Soziale Verteidigung (=Verteidigung ohne Waffengewalt) zu lernen und zu üben. Auch die Kirchen als zivilgesellschaftliche Kräfte hätten hier eine Mitverantwortung.

Als große Bereicherung wurde empfunden, dass im Anschluss an die Vorträge und danach in Kleingruppen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten intensiv gefragt, ausgetauscht und diskutiert werden konnte. Dabei hat  es sich gezeigt, dass die von der vom FFE in der EKiBa 2018 ausgehenden Kampagne ‚Sicherheit neu denken’ im Kontext dieser Fragen einen wichtigen Beitrag darstellt. Es gehe in die falsche Richtung, wenn die gegenwärtige militärgestützte westliche Sicherheitspolitik auf eine langfristige Politik der Konfrontation mit Russland – und im Weiteren China – hinauslaufe. Es war Konsens, dass es für uns Deutsche überlebenswichtig sei, wieder eine europäische Friedensordnung unter Einschluss Russlands aufzubauen. Sie muss sich orientieren an Menschenrechten und Völkerrecht.

Mitgetragen wurde dieser Studientag von der Arbeitsstelle Frieden im Evangelischen Oberkirchenrat in Karlsruhe, vom Pax Christi -Diözesanverband im Erzbistum Freiburg und den Jungen Alten in der EEB Karlsruhe, die mit Technik unterstützt hat. 

Johannes Maier

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