FFE Rundbrief 1/22

Ausgabe Mai 2022

ISSN 2198-6878 (print) ISSN 2198-6886 (online)

Editorial

Dieser Rundbrief dokumentiert wie gewohnt die Beiträge auf dem letzten Studientag, der im Jahr 2021 endlich wieder als Präsenzveranstaltung stattfinden konnte. Und doch wirkt es wie aus einer anderen Zeit, wenn man seinen Titel heute liest:Für eine neue Verständigung mit Russland“. Unser Anliegen ist von einer schrecklichen Wirklichkeit, dem russischen Angriff auf die Ukraine und den Folgen, überholt worden. Nein, auch wir haben mit diesem Krieg nicht gerechnet, aber wir haben, als dies Thema – durch Corona dann aufgehalten –vor drei Jahren gewählt wurde, gefährliche Entwicklungen im Verhältnis zwischen Russland und dem Westen gesehen. Vielleicht ist der Beitrag von Vladislav Belov, dem Leiter des Zentrums für Deutschlandforschungen am Europa Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, der gewiss nicht unautorisiert sprach, gar von dokumentarischem Wert.   

Elemente aus der Analyse der Konfliktursachen, die auf dem Studientag geleistet wurde, sind in eine FFE-Erklärung zum Ukrainekrieg eingegangen, die auf der Mitgliederversammlung am 24.3.2022 verabschiedet wurde. Sie hat in der Flut der Stellungnahmen ihr eigenes Profil und bereits ein Echo bis hin zur Übersetzung ins Spanische.

Durch den von Russland gegen die Ukraine entfesselten Krieg und die Reaktion darauf in unserem Land ist Friedensengagement insgesamt empfindlich zurückgeworfen und in die Defensive gedrängt worden. Bundeskanzler Scholz hat am 27.2.2022 unter Standing Ovation im Bundestag einen politischen Kurswechsel („Zeitenwende“) verkündet, der mit der deutschen Zurückhaltung im Militärischen endgültig bricht und eine gigantische Aufrüstung vorsieht. Orchestriert wird das von Medien, die in einen Propagandamodus geschaltet haben, gerade so, als führte unser Land bereits selbst Krieg. Pazifistische Haltungen werden verächtlich gemacht (Sascha Lobo im Spiegel: „deutscher Lumpenpazifismus“) und die Ostermärsche als die „fünfte Kolonne Moskaus“ diffamiert (A. Graf Lambsdorff). Auf einmal ist ein Freund-Feind-Denken zurück wie zu Hoch-Zeiten des Kalten Krieges und längst erledigt geglaubte Begriffe wie Ehre, Heldentum und Tod fürs Vaterland werden via ukrainischen Nationalismus wieder hoffähig.

Im kirchlichen Raum ist das Bild nicht besser. Auch hier wurde ein Zerrbild des Pazifismus aufgebaut, um sich dagegen mit Zynismus-Vorwürfen moralisch in Szene zu setzen. Amtskirchliche Erklärungen schwenkten von anfänglichem Sich-bedeckt-Halten bald in den politischen Mainstream ein, und Personen in Leitungsämtern beeilten sich, Verständnis für Waffenlieferungen an die Ukraine zu bekunden. Militärdekane waren wieder gefragt und tischten ihren Retro-Cocktail aus Zwei-Reiche-Lehre und unerlöster Welt auf und auch in der akademischen Theologie konnten die Bellizisten jetzt endlich laut sagen, was sie vom Ansatz des gerechten Friedens immer schon gehalten hatten: Ponyhof-Theologie!

Dieses veränderte Klima hat uns veranlasst, für den Studientag 2022 eine kleine Änderung des Formats zu wagen und den Akzent von der Vortagsveranstaltung auf eine Konsultation von Friedensorganisationen untereinander zu verschieben (s. Einladung auf S. 3)

Beim Thema Israel-Palästina, dem sich noch im Vorfeld der Weltversammlung der nächste Rundbrief zentral widmen soll, sah sich der Leitungskreis zu den beiden abgedruckten Pressemitteilungen wegen der einseitigen Berichterstattung in den Medien aktuell veranlasst.

Last not least die Bekanntgabe eines Ereignisses, das m. E. keinesfalls Privatsache ist, auch wenn es eine Person betrifft: Am 18. März wurde dem FFE-Gründungs- und Leitungskreismitglied Dirk Harmsen in Anwesenheit vieler Friedensfreunde in Karlsruhe das Bundesverdienstkreuz verliehen. Mit dem Glückwunsch an ihn sei die Hoffnung verbunden, dass die darin sich ausdrückende Wertschätzung des Friedensengagements in diesen Zeiten viele ermutigen möge.

Inhalt

BeitragSeite
Editorial
von Manfred Jeub
1
Einladung zum FFE-Studientag 2022  Die Friedensbewegung und die „Zeitenwende“3
Dokumentation des FFE-Studientages 20214
1. Begrüßung und Einführung von Dr. Dirk-M. Harmsen4
2. Willy Brandts Entspannungspolitik – einst gestaltet – heute verspielt – künftig überlebensnotwendig. von Albrecht Müller5
3. Rückfall in den Kalten Krieg? Wege und Irrwege der deutschen und europäischen Ostpolitik nach dem Ende der Sowjetunion von Gernot Erler14
4. Russisch-deutsche Beziehungen. Quo vadis nach den Parlamentswahlen im September 2021 in beiden Ländern? von Dr. Vladislav Belov20
Mitgliederversammlung des Forum Friedensethik am 6.11.2021 in Karlsruhe Protokollnotizen von Christiane Drape-Müller31
FFE-Erklärung zum gegenwärtigen Krieg in der Ukraine verabschiedet von der Mitgliederversammlung am 24. März 202235
FFE-Pressemitteilung:  Zum Tod von Desmond Tutu38
FFE-Pressemitteilung:  Zum jüngst veröffentlichten Amnesty International Dossier ISRAEL’S APARTHEID AGAINST PALESTINIANS  und seiner Aufnahme in Deutschland39
Ein Leserbrief an Publik Forum von unserem Leitungskreismitglied Peter Michael Kuhn39
Impressum40
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Online-Beiträge aus dieser Publikation

Eine Friedenstaube fliegt vor einem Hochhaus - Forum Friedensethik

FFE-Erklärung zum gegenwärtigen Krieg in der Ukraine verabschiedet von der Mitgliederversammlung am 24. März 2022

Die Mitgliederversammlung des Forums Friedensethik hat am 24.3.2023 diese Presseerklärung zum Ukrainekrieg verabschiedet:
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